Mit einem Zettel voller Notizen

V.l.n.r.: Axel Steffen, Petra Richter, Doreen Raschemann, Michael Raschemann, Jens Hinze, Silvia Bender, Michael Knape. (c) Kai Weller, Ahnen&Enkel

Mit einem Zettel voller Notizen

Staatssekretärin Silvia Bender vom Brandenburgischen Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz besucht die Energie-Kommune Feldheim und diskutiert mit Branchenvertretern

Feldheim liegt knapp 50 Kilometer süd-westlich von Potsdam. Der kleine Ort hat sich zu einem Pilgerort für internationale Energietouristen entwickelt: Denn Feldheim ist die erste und bisher einzige vollständig energieautarke Kommune Deutschlands. Delegationen aus der ganzen Welt lassen sich hier die Energiewende erklären, für Schulklassen gibt es Workshops zum Thema und Diskussionsveranstaltungen für Studierende.

In die Liste der Besucher reihte sich am 10. Juni auch Silvia Bender ein, Staatssekretärin aus Potsdam. Im „Neue Energien Forum Feldheim“ (NEF) traf sie sich mit Vertretern aus der Windbranche, eingeladen hatte der BWE Berlin / Brandenburg. Zu den rund 30 Gästen gehörten neben Petra Richter, Ortsvorsteherin von Feldheim und Jens Hinze, Bürgermeister von Mühlenfließ auch Michael Knape, Bürgermeister von Treuenbrietzen. Silvia Bender wurde begleitet Axel Steffen, Leiter der Geschäftsstelle Umwelt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Nach einer kurzen Begrüßung führte Doreen Raschemann, Vorsitzende des NEF, die Gäste gemeinsam mit Michael Raschemann, Geschäftsführer von Energiequelle, durch den Ort, Besichtigung einer Windkraftanlage inklusive.

Klimaplan, Genehmigungen, Regionalplan: Viel Besprechungsbedarf zwischen Ministerium und Branche

Danach ging es gemeinsam in den Veranstaltungsraum des NEF. Die Stühle waren in gebührenden Abstand voneinander aufgebaut – ein Distanzgefühl, an das man sich im Corona-Jahr schon gewöhnt hat. Trotzdem war der Austausch zwischen Ministerium und Branche offen, verbindlich und konstruktiv. Denn zu besprechen gab es viel: Brandenburg läuft seit Jahren seinen selbstgesteckten Zielen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien hinterher.

Dabei ist gerade im Energieland Brandenburg der Anspruch besonders groß: Erneuerbare Energien sollen hier nicht nur das Klima schützen, sondern den Menschen auch eine wirtschaftliche Zukunft nach dem Ende der Braunkohle bieten.

  • Klimaplan erst 2022

Der Klimaplan, den das Land Brandenburg aktuell erstellt, soll einen „übergeordneten Rahmen für die klimarelevanten Einzelstrategien der Ressorts (Energie, Gebäude, Mobilität, Landwirtschaft) bilden“ (Vgl. Internetseite des Landes Brandenburg). Demnach will Brandenburg bis spätestens 2050 klimaneutral werden. Seit Mai dieses Jahres arbeitet das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) dazu verschiedene Szenarien aus, das Gutachten soll im Frühjahr 2022 vorliegen. Der Klimaplan könnte also ab Mitte 2022 vorliegen – und damit voraussichtlich noch nach der Energiestrategie, die das Land auch gerade überarbeitet.

  • Baustau bei beklagten Projekten

Laut Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) sind in Brandenburg 251 Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von zusammen 1.018 Megawatt (MW) genehmigt (Stand 31.12.2020). Viele dieser Anlagen werden allerdings nicht gebaut. Grund: Sind Projekte beklagt, ist die Teilnahme an einer Ausschreibung ein erhebliches finanzielles Risiko. Denn werden nach einem Zuschlag die Fristen nicht eingehalten, gehen die hinterlegten Bürgschaften verloren. Die Rechtsstreitigkeiten vor Ort ziehen sich häufig so lange, dass am Ende sogar ein neues Genehmigungsverfahren mit einem moderneren Anlagentyp ökonomisch sinnvoller wäre.

  • Große Baustelle bleibt die Regionalplanung

Von den fünf Regionalplänen in Brandenburg sind derzeit drei unwirksam, einer ist beklagt und für einen wurde die Genehmigung aufgrund formaler Fehler beklagt. Um Planungen zu vereinfachen, plädierten die Vertreter der Windbranche dafür, statt wie bisher Eignungsgebiete auch Vorranggebiete für Windenergie auszuweisen.

  • Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen dauern in der Regel zwischen 4 bis 5 Jahre

Ändern sich in dieser Zeit die Anforderungen für die Genehmigung, müssen Planer von vorne anfangen: Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Daher muss verbindlicher geregelt werden, welche Gutachten und Unterlagen bis zu welchem Termin vorliegen müssen (Scoping-Termin). Für den Schutz von bedrohten Vögeln sollte der Populationsschutz Richtwert sein, nicht das individuelle Tötungsverbot.

Energiewende in Brandenburg: Probleme müssen angegangen werden

Diskutiert man in Feldheim über die Schwierigkeiten bei der Energiewende, wird auch deutlich, was gerade hier gut gelaufen ist: Die Bürgerinnen und Bürger von Feldheim waren an allen Planungen beteiligt. Sie merken konkret, dass sie weniger für Strom und Wärme zahlen als Freunde und Bekannte in den Nachbargemeinden. Und die Erneuerbaren haben einen wirtschaftlichen Aufschwung in den Ort gebracht.

Damit die Energiewende auch im Rest Brandenburgs besser gelingt, müssen viele der Fragen, die in Feldheim aufgeworfen wurden, weiterverfolgt werden. Staatssekretärin Bender zumindest hat häufig zum Stift gegriffen und ist mit einem vollgeschriebenen Notizblock nach Potsdam abgereist.

Feldheim: Deutschlands erste energieautarke Gemeinde

In Feldheim weht guter Wind. 1993 plante hier der damalige Student Michael Raschemann seine erste Windenergieanlage, gemeinsam entschieden sich die Feldheimer:innen in einer Bürgerversammlung für den Bau: Die erste Windenergieanlage von Energiequelle. 1995 produzierten vier Windenergieanlagen in Feldheim Strom, inzwischen sind es 55 Windenergieanlagen. Eine davon würde ausreichen, um das Dorf mit Strom zu versorgen. 2015 wurde die damals größte Batterie Europas in Feldheim gebaut. Sie nimmt den Strom aus den Windenergieanlagen auf, wenn der Wind stark weht und gibt ihn bei Flaute wieder an, so entlastet sie das Netz.

Seit 2010 wird auch die Wärme für die Wohnungen direkt vor Ort erzeugt: Die Idee für den Bau der Biogasanlage kam von der Agrargenossenschaft. Aus Abfallprodukt aus der Energieerzeugung erzeugt sie Wärme, die in Wasser gespeichert wird und an alle Haushalte verteilt wird. An richtig kalten Tagen reicht die Wärmeversorgung aus der Biogasanlage nicht aus. Dann wird zusätzlich die Hackschnitzel-Anlage in Betrieb genommen, die mit Holzabfallprodukte aus der regional betrieben wird.

Das „Neue Energien Forum“ (NEF) in Feldheim hat sich zu einem Pilgerort für internationale Energietouristen entwickelt: Delegationen aus der ganzen Welt nehmen an den Führungen teil, für Schulklassen gibt es Workshops und Diskussionsveranstaltungen für Studierende. In einem normalen Jahr zählt das NEF rund 3.000 Besucher.

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